Am vorletzten Sonntag mussten wir zum klaren Meisterschaftsfavoriten und designierten Aufsteiger TSV Bindlach Aktionär nach Bayreuth reisen. Mit im Schnitt gut 100 Rating-Punkten weniger an jedem Brett wäre alles andere als eine klare Niederlage für uns eine Überraschung gewesen. Leicht wollten wir es unserem Gastgeber aber keinesfalls machen und so gingen wir in gewohnter Aufstellung positiv gestimmt in den Kampf. Doch an diesem Tag war Fortuna leider nicht mit uns im Bunde.
An Brett 2 (S) bekam Tobias Brunner mit dem irischen IM Gavin Wall den stärksten Gegner zugeteilt. Und der legte auch gleich richtig los als er in der Vorstoß-Variante der Caro-Kann Verteidigung schon früh versuchte zu attackieren, indem er auf beiden Flügeln mit forschen Bauernvorstößen vorpreschte. Solchermaßen überrascht, fand Tobias nicht die besten Züge und sah sich fortan in die Verteidigung gedrängt. In bereits schwieriger Lage unterlief ihm dann im 15. der bereits vorentscheidende Fehler:
Mit der Krake auf d6 lief der weiße Angriff gegen den unrochierten König wie am Schnürchen und führte beinahe zwangsläufig zu entscheidendem Materialgewinn und schlussendlich zum Matt. (0-1)
An Brett 1 (W) wählte FM Zdenek Haba gegen die Königsindische Verteidigung die altehrwürdige Awerbach-Variante im Klassischen System. Beide Spieler folgten bis zum 10. Zug bekannter Theorie, die in einem scharfen Mittelspiel mit entgegengesetzten Rochaden mündeten. In zweischneidiger Stellung hatte Zdenek die Möglichkeit zu einem interessanten Bauernopfer, die er jedoch zugunsten einer ruhigeren Fortsetzung verwarf:
In der Folge belauerten sich die Kontrahenten und suchten nach einem für sie günstigen Durchbruch. Die Chance für Zdenek kam schließlich im 23. Zug, als er mit ähnlichen Motiven wie schon im 17. Zug Linien am Königsflügel hätte öffnen können:
Zdenek agierte erneut zurückhaltender, aber nicht wesentlich schlechter, denn der Vorstoß g4 verblieb weiterhin in der Stellung. Drei Züge später kam es zum Kipppunkt der Partie:
Enttäuscht durch den Lauf der Ereignisse und in Zeitnot verlor Zdenek nun vollends den Faden, geriet klar in Nachteil und musste sich schließlich kurz vor der Zeitkontrolle geschlagen geben. Eine tragische Partie. (0-2)
An Brett 5 (W) versuchte Stephan Schmahl der Französischen Verteidigung seines Gegners mittels der als remisverdächtig verpöhnten Abtausch-Variante zu begegnen. Nach sehr ruhiger Eröffnung verlief auch das Mittelspiel ähnlich und nach dem Damentausch wurde ein ausgeglichenes Endspiel erreicht. Nachdem beide Spieler wenig Möglichkeiten für ein aktives Vorgehen hatten, deutete alles bereits auf ein friedliches Unentschieden hin, als Stephan der folgende Lapsus unterlief:
Der taktische Einschlag gewann eine Figur für Schwarz und als auch der Versuch fehlschlug den Sh1 zu fangen und Schwarz sich konsolidiert hatte, musste Stephan konsterniert die Waffen strecken. (0-3)
An Brett 8 (S) entschied sich Rudi Schön gegen die Damenbauereröffnung seines Gegners zur Grünfeld-Indischen Verteidigung. Der Bindlacher wählte die Abtausch-Variante, vermischte dabei aber die Systeme, so dass Rudi schon nach wenigen Zügen einen leichten Vorteil verzeichnen konnte.
Der Bindlacher nutzte seinen Raumvorteil im Zentrum zur Umgruppierung seiner Figuren und setzte die schwarze Stellung gehörig unter Druck. Als es Rudi schließlich gelang seine Damenflügelmajorität in Bewegung zu setzen, war es leider schon zu spät:
Der Bindlacher öffnete das Zentrum und hatte den Sieg bereits vor Augen:
Nach dieser verpassten Gelegenheit, bekam Rudi leider keine zweite Chance mehr und musste sich wenige Züge später geschlagen geben, als ein weißer Turm auf d7 eindrang und entscheidenden Materialgewinn forcierte. (0-4)
Damit lagen wir mehr als unglücklich und deutlich unter Wert bereits mit 0-4 hinten, wobei in drei Partien sicher das eine oder andere halbe oder ganze Pünktchen drin gewesen wären. Es zeichnete sich ein rabenschwarzer Tag für unser sonst so kampfstarkes Team ab!
An Brett 3 (W) spielte Christian Müller das Schottische Vierspringerspiel und folgte dabei zusammen mit seinem Gegner bis zum 10. Zug der absoluten Hauptvariante. Die Partie war ausgeglichen und wäre es wohl auch geblieben, wenn der Bindlacher in dieser Stellung die am natürlichsten aussehende Abtauschaktion gestartet hätte:
Plötzlich drohen die weißen Figuren über den schwarzen König herzufallen und eine baldige Entschärfung der Situation ist nicht abzusehen. Leider setzte Christian nicht energisch genug nach, so dass sich sein Vorteil nach und nach verflüchtigte. Die e-Linie war zwar vollständig in seiner Hand, doch den Ansatzpunkt für einen entscheidenden Hebel gab es unglücklicherweise nicht. Der Bindlacher konsolidierte seine Stellung und nach dem Damentausch einigte man sich durch Zugwiederholung auf Remis. (½-4½)
An Brett 6 (S) landete Jindrich Novak nach ungewöhnlicher Eröffnungsbehandlung und durch Zugumstellung ebenfalls in einem Schottischen Vierspringerspiel, jedoch in einer weniger günstigen Variante. Dies hätte bereits früh zu Problemen führen können, doch der Bindlacher hielt die Partie in ruhigerem Fahrwasser.
Nachdem zahlreiche Figuren inklusive der Dame abgetauscht waren, stand ein völlig ausgeglichenes Endspiel auf dem Brett, in dem Weiß zwar etwas mehr Raum hatte, aber keine Angriffspunkte im schwarzen Lager finden konnte. Bis zur Zeitkontrolle und noch einige Züge danach bekämpften sich die Kontrahenten weiterhin auf Augenhöhe bis Jindrich scheinbar die Geduld verlor:
Die Partie kulminierte in beidseitigen Fehlern, wobei der Gastspieler gleich mehrfach den Gewinn ausließ. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, blieb ein zwar ausgeglichenes, aber tückisches Turmendspiel übrig:
Jindrich nutzte die Gunst der Stunde und zwang seinen Gegner nach der Abwicklung in ein leicht gewonnenes Damenendspiel zur Aufgabe. (1½-4½)
An Brett 4 (S) verteidigte sich Philipp Mark gegen den Aufzug des Damenbauern durch Zugumstellung mit dem angenommenen Damengambit. Durch die frühe Auflösung der Zentrumsspannung hatte Philipp keine Probleme seine Entwicklung zu vollenden, um eine ausgeglichene Stellung zu erreichen. Nach Generalabtausch blieb ein Turm & Springerendspiel übrig, in dem Weiß nur den mikroskopischen Vorteil von zwei gegen drei Bauerninseln aufzuweisen hatte. Der Bindlacher versuchte zwar alles, doch mit nur einer einzigen Schwäche in Form des isolierten Bauern e6 hatte Philipp keine nennenswerte Mühe die Partie im Gleichgewicht zu halten. Nach weiteren fruchtlosen Versuchen stellte der Heimspieler seine Bemühungen schließlich ein und man einigte sich auf Remis. (2-5)
An Brett 7 (W) eröffnete Mirolslav Kalous die Partie Katalanisch, was aber durch Zugumstellung in einer Nebenvariante der Tarrasch-Verteidigung landete. Nach einigen Ungenauigkeiten seinerseits fand sich Mirek in einer wenig erfreulichen Stellung wieder. Nicht nur hatte er einen Bauern weniger, auch seine Figuren hatten kaum Möglichkeiten zu einer aktiven Entfaltung. Und so musste er sich nolens volens auf eine passive Verteidigung und den Versuch beschränken, seinen verloren gegangenen Bauern zurück zu erobern. Doch das sollte sich als alles andere als leicht herausstellen.
Der Bindlacher ließ aber den Abtausch auf f6 zu und nachdem auch die weißfeldrigen Läufer vom Brett verschwanden, schnupperte Mirek plötzlich Morgenluft. Sein verbliebener Springer war dem gegnerischen Läufer überlegen, was laut Computer genügende Kompensation für den Minusbauern bedeutete. Die Partie ging weiter mit einem spannenden Marsch des weißen Königs, der sich schließlich auf f5 einnistete, während Schwarz versuchte seine Damenflügelmajorität in einen Freibauern umzuwandeln. Am Ende landete man in einem recht komplizierten Turmendspiel:
Der Bindlacher kämpfte verbissen um den Sieg, gewann sogar einen Bauern, doch trotz aller Bemühungen blieb die Stellung im Gleichgewicht. Nach fast 80 Zügen kam es in theoretischer Remisstellung noch zu einem kleinen Highlight:
Kurze Zeit später stellte der Heimspieler weitere Versuche ein und man einigte sich auf Remis. (2½-5½)
Und hier noch einmal alle Paarungen und Ergebnisse im Überblick:
Nach dieser unverdient heftigen Pleite beginnt nun, wie für die halbe Liga, auch für uns das Zittern um den Klassenerhalt. Aber noch haben wir es selbst in der Hand unser Ziel zu erreichen, also bleiben wir optimistisch!
Es folgt die aktuelle Tabelle, in der noch immer das Ergebnis des wegen des Schneechaos Anfang Dezember 2023 ausgefallenen Kampfes PTSV SK Hof – SK Herzogenaurach fehlt:
In der 6. Runde am 25. Februar spielen wir zu Hause gegen den aktuellen Tabellendritten vom TSV Kareth-Lappersdorf. Auch in diesem Kampf gegen die Regensburger haben wir auf dem Papier nur Aussenseiterchancen, aber warum sollte uns nicht ein ähnlicher Coup gelingen wie beim 4-4 gegen den SC Erlangen vor wenigen Wochen? Jeder Brettpunkt zählt und die endgültige Entscheidung über den Abstieg wird erst in den letzten drei Runden gegen die direkte Konkurrenz fallen.
Trotz der Niederlage billigt uns das LigaOrakel eine weitere Verbesserung unserer Chancen auf den Klassenerhalt zu, diesmal um 9,2 Prozentpunkte auf nur noch 22 % Abstiegswahrscheinlichkeit:
Das Orakel beginnt an uns zu glauben!