1. Mannschaft auf dem Treppchen

Zum Saisonabschluss reiste die 1. Mannschaft am letzten April-Wochenende zum oberpfälzischen Traditionsverein SK Kelheim. Während die Donaustädter unbedingt einen Sieg brauchten, um dem Abstieg noch zu entrinnen, ging es für uns nur noch um die berühmt-berüchtigte „Goldende Ananas“. Selbst bei einem 0-8 wäre der 3. Platz noch möglich und der 4. Platz sicher gewesen. Solchermaßen abgesichert gingen wir den Kampf in bester und bewährter Aufstellung vollkommen tiefenentspannt an.

An Brett 5 (W) hatte Stephan Schmahl gerade angefangen, sich im auf dem Brett stehenden Spanischen Vierspringerspiel Gedanken über die Erreichung eines Eröffnungsvorteils zu machen, als er schon im 10. Zug von einem Remisangebot seines Kontrahenten überrascht wurde:

Brett 5: Nach 10…0-0 bot der Kelheimer völlig unerwartet Remis an.

Objektiv gesehen sicher eine vertretbare Entscheidung, zumindest in einer x-beliebigen Partie. Angesichts der Tatsache, dass dem oberpfälzer Kontrahenten nur ein Mannschaftssieg helfen konnte, den Abstieg doch noch zu vermeiden, eine eher befremdliche Entscheidung. Aufgrund der für uns einfachen Situation nahm Stephan nach ein paar Minuten des Sinnierens das Angebot an. Sicher kein Ruhmesblatt, aber ohne ein Ziel fehlt hin und wieder auch mal die Motivation. (½-½)

An Brett 3 (W) wählte Christian Müller gegen die MacCutcheon-Variante der Französischen Verteidigung eine sichere Aufstellung zur Vermeidung eines potentiellen Doppelbauern. Was zunächst sehr ruhig begann, nahm schon im 10. Zug mächtig Fahrt auf:

Brett 3: Mit 10.d5!? zeigte Christian seine Bereitschaft zu einem Kampf mit offenem Visier.

Objektiv sollte Schwarz keine Probleme haben, doch am Brett sind die Spieler Emotionen unterworfen, die das Urteilsvermögen beeinflussen können. So unterliefen dem Kelheimer in den nächsten vier Zügen gleich zwei Fehler, die Weiß klaren Vorteil überließen:

Brett 3: Mit 14.Lc4 hätte Christian die schwarze Schwäche auf e6 sofort aufs Korn nehmen sollen, wonach ihm die Engine bereits entscheidenden Vorteil attestiert. Er spielte aber das weniger starke 14.Lb5+, was zwar immer noch vorteilhaft ist, aber dem Schwarzen die Verteidigung wesentlich erleichtert.

Schon in den nächsten Zug war der weiße Vorteil vollends verschwunden und man landete in einem ausgeglichenen Endspiel:

Brett 3: Nach 22…Tb6 bot der Kelheimer Remis an, was von Christian umgehend angenommen wurde.

Eine weitere überraschende Entscheidung unserer Gastgeber. Nach der mehr oder weniger forcierten Folge 23.Ld7 Lxd7 24.Txd7 Td6 25.Txd6 Ldx6 befindet sich die Stellung zwar weiterhin in der Remisbreite, doch Chancen auf Gewinn zu spielen hätte nur der Schwarze gehabt. Raumvorteil und fehlender Stützpunkt für den weißen Springer hätten Christian eine genaue Verteidigung abverlangt. (1-1)

An Brett 2 (S) wurde Tobias Brunner zunächst mit dem Torre-Angriff konfrontiert, der aber schon wenige Züge später in die Tartakower-Variante des Damengambits überging. Zum ersten Figurentausch kam es im 11. Zug:

Brett 2: Nach dem einfachen 11…Dxe7 wäre die Stellung ausgeglichen gewesen, doch Tobias wählte 11…Sxc3? und wurde von 12.Lxh7! mit Bauernverlust und klarem Vorteil für Weiß kalt erwischt.

Scheinbar selbst überrascht von seinem Glück spielte der Kelheimer in der Folge wenig zielstrebig und ließ Tobias in ein Schwerfigurenendspiel entschlüpfen, das ihm wegen seines passiven Turms kaum noch Gewinnchancen versprach:

Brett 2: Trotz eines Mehrbauern kam Weiß ohne Figurenaktivität nicht voran.

Tobias nahm die d-Linie vollständig unter Kontrolle und setzte seine Bauernmajorität am Damenflügel in Bewegung. Als der Gastgeber weder eine Möglichkeit zum Damentausch noch eine zur Aktivierung seines Turms fand, entschied er sich zu einer Zugwiederholung mit gleichzeitigem Remisschluss. Ein etwas glücklicher halber Punkt für uns. (1½-1½)

An Brett 4 (S) ließ sich Philipp Mark auf eine extrem scharfe Variante in seiner geliebten Russischen Verteidigung ein, in der es schon im 5. und 6. Zug Einschläge auf den neuralgischen Punkten f2 und f7 gab:

Brett 4: Nach nur sechs Zügen herrschte auf dem Brett von Philipp das totale Chaos!

Das Abspiel gilt zwar als gefährlich für Schwarz, doch bei genauem Spiel sieht der Computer die Stellung als völlig ausgeglichen an. Auf Kosten eines bedenklich hohen Zeitverbrauchs bahnte sich Philipp den Weg durch den Variantendschungel als sein Gegner im 12. Zug noch einmal Öl ins Feuer goss:

Brett 4: Der Kelheimer zog alle Register, um Philipp maximal unter Druck zu setzen.

Der Windischeschenbacher reagierte zunächst richtig, doch einen Zug später griff er leider fehl:

Brett 4: Laut Computer halten 13…Kh8 oder 13…Tf8 die Stellung im Gleichgewicht, doch Philipp wählte 13…c6?? und stand nach der erzwungenen Folge 14.Sxg5+ Dxg5 15.hxg5 cxd5 16.Dh4+ klar auf Verlust.

Nach weiteren neun Zügen schien das Ende für Schwarz nahe:

Brett 4: Praktisch jeder Bauernzug gewinnt leicht für Weiß, doch der Kelheimer schnappte sich mit 26.Dxd6?? weiteres Material und wurde von 26…Tf1+ 27.Kd2 Td1+! 28.Kxd1 Lg4+ böse überrascht!

Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, blieb ein Endspiel mit ungewöhnlicher Materialverteilung übrig, das der Kelheimer, scheinbar noch geschockt vom verschenkten Sieg, frustriert Remis gab.

Brett 4: Die Endstellung einer denkwürdigen Partie.

Ein glücklicher halber Punkt für uns und der möglicherweise entscheidende verpasste Sieg der Heimmannschaft im Kampf gegen den Abstieg. (2-2)

An Brett 1 (W) bekam es FM Zdenek Haba mit der sogenannten Carlsen-Variante des abgelehnten Damengambits zu tun. Gegen den frühen Aufzug des schwarzen a-Bauern wählte er den Abtausch im Zentrum, der allgemein als aussichtsreichste Fortsetzung für Weiß angesehen wird. Nach Abtausch beider Läuferpaare entstand eine etwa ausgeglichene Stellung mit leichten strukturellen Vorteilen für Weiß:

Brett 1: Mit 12…f5?! wollte der Kelheimer einem eventuellen e4 von Weiß vorbeugen, schwächte damit aber seinen Königsflügel, was laut Computer am besten mit 13.Sa4 nebst Dc3 und leichtem Vorteil auszunutzen war.

Zdenek entschied sich für den sofortigen Sprung ins Zentrum mittels 13.Se5, was ebenso logisch aussieht. Der f-Bauer wird frei gemacht für ein baldiges f3 und e4, um gegen den immer noch in der Mitte verweilenden schwarzen König das Zentrum aufzubrechen. Als es genau so kam, geriet der Kelheimer nach einem Fehler schwer unter Druck:

Brett 1: Mit 22.Sb6+! Kb8 23.Sd7+! hätte Zdenek die Partie schnell zu seinen Gunsten entscheiden können.

Leider wählte er jedoch 22.cxb7+, was zwar immer noch günstig für Weiß war, aber den sofortigen Gewinn vergab. Bei aufkommender Zeitnot verflachte die Partie zusehends und so musste Zdenek angesichts des gefährlich werdenden schwarzen Freibauern e3 das Remisangebot seines Gegners im 26. Zug notgedrungen annehmen. Hier wäre sicher mehr für uns drin gewesen. (2½-2½)

An Brett 8 (S) stellte sich Miroslav Kalous seinem Gegner mit der Nimzoindischen Verteidigung entgegen. Beide Spieler folgten bis zum 12. Zug wohlbekannter Theorie und erreichten eine ungefähr ausgeglichene Stellung:

Brett 8: Das weiße Läuferpaar konnte Mirek mit seinem Entwicklungsvorsprung kompensieren.

In der Folge unterliefen beiden Kontrahenten kleinere Ungenauigkeiten, die aber die Einschätzung der Stellung nicht nennenswert beeinflussten. Im 19. Zug ergab sich für Mirek eine interessante Möglichkeit, den Verlauf der Partie nachhaltig zu verändern:

Brett 8: Mit dem überraschenden 19…Sxe4! 20.fxe4 Dg6 hätte Mirek die Nachteile der gegnerischen Stellung schonungslos offenlegen können. Die weißen Streitkräfte sind unkoordiniert, der König kann nicht rochieren und über kurz oder lang werden weitere Bauern fallen.

Schwarz hätte laut Computer trotz nur eines Bauern für die Figur vollen Ausgleich gehabt und der wahrscheinlichste Ausgang der Partie wäre wegen des offenen weißen Königs wohl ein Remis durch Dauerschach gewesen. Leider übersah Mirek diese Möglichkeit aber, spielte 19…Dh5 und geriet in Nachteil. Unter Zeitdruck fand er nicht die besten Züge, wurde mehr und mehr in die Verteidigung gedrängt und landete schließlich in einem verlorenen Endspiel:

Brett 8: In völlig passiver Stellung konnte Mirek nur noch warten, wie und wann sein Gegner den entscheidenden Durchbruch organisieren würde.

Nach Turmtausch und Eroberung des Bauern e5 war der verbliebene Läufer dem Springer haushoch überlegen und konnte diesen in Zusammenarbeit mit seinem König am Ende sogar erobern:

Brett 8: Das letzte Feld für den Springer war a3, doch nach 43.Kd3 a6 44.Lb2 war er gefangen.

Mirek warf das Handtuch. Ein rabenschwarzer Tag für unseren Mr. Zuverlässig. (2½-3½)

An Brett 6 (S) duellierte sich Jaroslav Illetsko mit seinem Gegner durch Zugumstellung in einer Art Königsindischer Verteidigung:

Brett 6: Mit 10.d5 konnte Weiß einen schönen Raumvorteil erreichen, doch er entschied sich für 10.dxe5?! und nach 10…dxe5 11.Td1 De7 hatte Jaroslav vollen Ausgleich erreicht.

Das Mittelspiel entwickelte sich mit beidseitig typischen Manövern weiterhin innerhalb der Remisbreite. Nach Abtausch der meisten Figuren entstand ein Endspiel mit Dame, Turm und ungleichen Läufern, das zwar optisch besser für Schwarz aussah, aber letztendlich Unentschieden enden sollte. Doch das energische Spiel von Jaroslav zeigte Wirkung und so unterlief dem Kelheimer im 31. Zug ein folgenschwerer Fehler:

Brett 6: Der weiße Zug 31.Td1? war ein Fehler, den Jaroslav mit 31…Df4! geschickt ausnutzte.

Schwarz droht nicht nur mittels …Le5 in die weiße Königsstellung einzudringen, sondern ebnet auch der schwarzen Dame den Weg nach b8, von wo sie den Druck gegen den Bauern b2 erhöhen kann. Trotz aller Versuche, gelang es dem Kelheimer in Zeitnot nicht mehr das Ruder noch einmal herumzureissen und so gab er sich einen Zug vor der Zeitkontrolle geschlagen:

Brett 6: Nach dem letzten schwarzen Zug 39…d3 lässt sich die Umwandlung eines Bauern für Weiß nur noch durch Läuferopfer verhindern, weshalb der Kelheimer die Waffen streckte.

Eine starke Leistung von Jaroslav, der uns mit seinem überzeugenden Sieg wenigstens einen Mannschaftspunkt sicherte. (3½-3½)

An Brett 7 (W) verzichtete Jindrich Novak erneut auf sein geliebtes Londoner System und wählte stattdessen eine der Hauptvarianten gegen das abgelehnte Damengambit. Beide Spieler gaben sich in der Eröffnung und eingangs des Mittelspiels keine Blöße und steuerten auf ein ausgeglichenes Endspiel zu:

Brett 7: Kein Vorteil für Weiß aber immer noch alles im grünen Bereich bei Jindrich.

Im weiteren Verlauf verlor Jindrich etwas den Faden und musste sich nach einem wenig vorteilhaften Damentausch auf die Defensive verlegen. Doch auch der Kelheimer fand keinen Weg zu klarem Vorteil und so gelang es Jindrich durch einfallsreiches Spiel die Chancen wieder auszugleichen:

Brett 7: Nachdem sich Jindrich durch aktives Spiel wieder freikämpfen konnte, sollte Schwarz hier mittels 31…fxg4 32.hxg4 Th2+ 33.Kg3 h5! matt drohen, was Weiß zum Finden des einzigen Zuges 34.f5! genötigt hätte, wonach das Remis praktisch beschlossene Sache gewesen wäre.

Doch der Kelheimer zog sofort 31…Th2??, was völlig unerwartet zum Verlust hätte führen können! Mit 32.exf5! gxf5 33.Te1 hätte Jindrich die Öffnung der e-Linie zur Aktivierung seiner Türme und Angriff gegen den ungeschützten König nutzen und seinen Gegner damit vor unlösbare Probleme stellen können. Leider verpasste der Windischeschenbacher diese Gelegenheit und so kämpften die Kontrahenten unverdrossen weiter in einem ausgeglichenen Endspiel. Nach zwischenzeitigem Läufertausch bot aber auch das übrig gebliebene reine Turmendspiel mit jeweils noch drei Bauern beiden Seiten keine Gewinnaussichten mehr und so einigte man sich nach 74 Zügen auf ein leistungsgerechtes Remis. (4-4)

Und hier noch einmal alle Paarungen und Ergebnisse im Überblick:

Das 4-4 Unentschieden war sicher nicht unser bester Auftritt, doch waren ja eigentlich nicht wir gefordert, sondern unsere Kelheimer Freunde. Insofern ist der etwas kraftlose Auftritt zumindest aus unserer Sicht nachvollziehbar. Tragisch für Kelheim ist, dass am Ende nur ein halber Punkt fehlte, um den Abstieg zu vermeiden. Warum das trotz guter Möglichkeiten nicht gelang, begründe ich mal wohlwollend mit unserer mentalen Stärke!

Es folgt die Abschlusstabelle:

Nach einer famosen Saison steht am Ende ein überragender 3. Platz zu Buche, mit dem absolut niemand rechnen konnte. Als Abstiegsfavorit Nr. 1 gehandelt, legten wir nicht nur gut los, sondern es gelang uns auch unsere Leistung zu wiederholen, so dass wir uns eigentlich zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Sorgen um den Klassenerhalt machen mussten. Auch waren wir in der Lage unsere Möglichkeiten seriös einzuschätzen und trotz aller Euphorie auf dem Teppich zu bleiben, was uns sicher half nach einem Rückschlag die nachfolgende Runde um so gestärkter anzugehen.

Das Geheimnis unseres Erfolgs dürfte in erster Linie bei unserer Konstanz zu suchen sein. Sieben von acht Spielern saßen in allen neun Runden am Brett, absoluter Bestwert in der Liga! Nur Jaroslav musste zu Beginn der Saison krankheitsbedingt pausieren, kam aber immerhin noch zu vier Einsätzen.

Die besten Punktesammler waren Tobias und Jindrich mit jeweils 6 / 9, gefolgt von Christian und Mirek mit 5½ / 9 sowie Philipp mit 5 / 9. Eine fabelhafte Ausbeute gegen fast immer höher gewertete Gegner!

Das kommende Sommerfest haben wir uns also redlich verdient und werden es alle zusammen genießen!

Auf ein Neues in der nächsten Saison!

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