Am vergangenen Sonntag empfingen wir zum ersten Heimspiel der Saison die 1. Mannschaft des SV Würzburg. Nach der klaren Niederlagen in Nürnberg waren wir nicht nur etwas unter Druck, sondern auch auf schnellstmögliche Wiedergutmachung aus. Während wir in Bestbesetzung antreten konnten, reisten die Gäste stark ersatzgeschwächt an, so dass die Rollen von Anfang an verteilt zu sein schienen. Doch jede Partie will erst gespielt sein und so entwickelte sich ein hart umkämpftes Match, das erst in der 4. Stunde zu unseren Gunsten kippte. Am Ende stand ein überraschend hoher 5½-2½ Sieg, der uns ins Mittelfeld der Tabelle aufstiegen ließ.
An Brett 3 (S) startete Christian Müller gegen den Doppelschritt des Damenbauern mit der klassischen Tarrasch-Verteidigung. Bis zum 11. Zug wandelte man gemeinsam auf ausgetretenen Theoriepfaden, die dem Schwarzen Ausgleich bescherten. Die Neuerung des Würzburgers im 12. Zug versprach ebenso wenig einen Vorteil wie die übrigen bekannten Fortsetzungen und so reduzierte man fröhlich weiter das Material. Das resultierende Endspiel mit jeweils zwei Türmen, einem Läufer, einem Springer und vier Bauern bot ohne jedes Ungleichgewicht keinem der Kontrahenten ernsthafte Gewinnchancen und so einigte man sich im 20. Zug auf ein stellungs- und leistungsgerechtes Remis.
Ein guter Start in einer wenig ereignisreichen Partie aber einem sicheren Schwarz-Remis. Die Basis und ein Baustein für jeden erfolgreichen Mannschaftskampf. (½-½)
An Brett 4 (W) bekam es Philipp Mark mit der klassischen Holländischen Verteidigung zu tun, die er mit dem ruhigen Doppelfianchetto beantwortete. Den schon bald etablierten schwarzen Vorpostenspringer auf e4 vertrieb er mit f3 ohne seinem Gegner die Möglichkeit zu geben, sich durch Abtausch zu entlasten. Anschließend bereitete er alles für den Zentrumsvorstoß e4 vor, den er im 15. Zug durchsetzte:
Unter Druck unterliefen dem Würzburger erst ein kleiner und dann ein grober Fehler, die zu Bauernverlust und einer weißen Gewinnstellung führten. Auf dem Weg zur Zeitkontrolle kam es auf beiden Seiten zu zahlreichen Irrungen und Wirrungen, doch schlussendlich behielt Philipp klar die Oberhand:
Ein beeindruckender Start-Ziel-Sieg in einer komplexen Partie! (1½-½)
An Brett 5 (S) wurden Stephan Schmahl und seine Sizilianische Verteidigung mit einer harmlos anmutenden Nebenvariante konfrontiert. Nach dem frühen Damentausch hatte Weiß etwas Raumvorteil, den er aber durch ein wenig überzeugendes Manöver sofort wieder aufs Spiel setzte. Wenige Züge später konnte Stephan bereits einen leichten Vorteil verzeichnen, den er aber leider nicht energisch genug verfolgte:
Der Windischeschenbacher blieb durchgängig am Drücker und lehnte ein Remisangebot ab, einen greifbaren Vorteil vermochte er jedoch nicht zu erzielen. Nach doppeltem Turmtausch belagerte er den Bauern e5, doch dem Würzburger gelang es, seine Figuren zu koordinieren und rechtzeitig zur Stelle zu sein, um alle Einbruchsfelder zu überdecken. Als er nach weiteren 15 Zügen des Lavierens noch immer keine Fortschritte erzielen konnte, stellte Stephan seine Gewinnversuche ein und man einigte sich nach Zugwiederholung auf Remis. (2-1)
An Brett 2 (W) ging FM Zdenek Haba gegen die sogenannte Tango-Verteidigung schon im 5. Zug extrem aggressiv zur Sache und warf seinen h-Bauern nach vorne. Unerschrocken aber auch sehr risikoreich griff sein Gegner zum Königsfianchetto, was dem weißen Rammbock sogleich eine Angriffsmarke lieferte. Naturgemäß wurde die Stellung schnell sehr scharf und nach einem Fehler stand der Würburger bereits nach sieben Zügen auf Verlust:
Der Windischeschenbacher eroberte einen Bauern, doch die Stellung blieb äußerst kompliziert, was zu hohem Zeitverbrauch und großer Anspannung bei beiden Spielern führte. Urplötzlich verflüchtigte sich der weiße Vorteil nicht nur, sondern kehrte sich nach einem Fehler von Zdenek sogar um, was den Partieverlauf fast völlig auf den Kopf gestellt hätte. Doch der Gast verpasste die Gelegenheit sich zu befreien und so übernahm Weiß wieder das Kommando. Schließlich kam es im 22. Zug zum schockierenden Ende:
Ein krasses Ende einer denkwürdigen Partie! (3-1)
An Brett 7 (S) wählte Jindrich Novak wie üblich die Philidor-Verteidigung, konnte aber gegen seinen gut vorbereiteten Gegner keinen Ausgleich erreichen. Der Würzburger setzte zwar auch nicht optimal fort, doch nach einem groben Fehler von Jindrich nutzte er die sich bietende Gelegenheit und brachte sich durch eine einfache Tauschaktion auf die Gewinnerstraße:
In seiner Not opferte Jindrich seinen Springer auf e4, doch er erhielt als Gegenwert nur einen Bauern, was natürlich keine ausreichende Kompensation darstellte. Im Mannschaftssinn kämpfte er unverdrossen weiter und fast wäre sein Einsatz noch belohnt worden:
Nach diesem Schockmoment ließ der Gast keine weiteren Überraschungen zu und brachte den vollen Punkt sicher nach Hause. (3-2)
An Brett 8 (W) schlug Miroslav Kalous das Angebot seines Gegners aus, sich mit ihm in der Königsindischen Verteidigung zu duellieren und verzichtete auf den Zug c2-c4. Es entstand eine Art Pirc-Verteidigung in der Schwarz ohne Probleme eine ausgeglichene Stellung erreichte. Im Mittelspiel entbrannte ein schwerblütiger Kampf um die d-Linie, der aber ohne klaren Sieger blieb. Nach Tausch aller Schwerfiguren verblieb Mirek mit dem Vorteil des Läuferpaars, das er zusammen mit seinem verdoppelten Mehrbauern zu verwerten versuchte:
Der Windischeschenbacher forschte weitere zwölf Züge nach einem Durchbruch, den er jedoch leider nicht zu finden vermochte. Schließlich wickelten die Kontrahenten in ein ungleiches Läuferendspiel ab und einigten auf ein leistungsgerechtes Remis. (3½-2½)
An Brett 1 (S) verteidigte sich Tobias Brunner gegen den Aufzug des d-Bauern Nimzo-Indisch. Sein Gegner wählte die klassische Variante, die wiederum durch den Gegenstoß c7-c5 gekontert wurde. Das Mittelspiel behandelte der Würzburger übertrieben optimistisch, was schnell zu schwarzem Vorteil führte. Der Versuch des Anziehenden die Stellung zu verschärfen, wurde zu einem echten Boomerang:
Die folgenden 20 Zügen bis zur Zeitkontrolle waren geprägt vom verzweifelten Versuch des Gastes Gegenspiel zu erlangen, der jedoch nicht von Erfolg gekrönt sein sollte. Im Gegenteil. Tobias gruppierte seine Figuren um, nahm den schwachen Bauern c4 aufs Korn und eroberte diesen schließlich. Die nachfolgende Abwicklung zu einem reinen Turmendspiel mit zwei Mehrbauern war für den Windischeschenbacher nur noch eine Sache der Technik. Und auch wenn sein Gegner die Partie noch etliche Züge hinschleppte, gab es am Ausgang keinen Zweifel mehr. Das Matt im 65. Zug beendete schließlich eine von Anfang an einseitige Begegnung. (4½-2½)
An Brett 6 (W) spielte Milo Müller gegen die Moderne Variante der Skandinavischen Verteidigung einen Standard-Aufbau, der von der Theorie als vorteilhaft für Weiß angesehen wird, aber in der Praxis nicht leicht zu spielen ist. Im Mittelspiel verflüchtigte sich die leichte weiße Initiative zusehends, als der Würzburger plötzlich und ohne Not mit einem unerwarteten Qualitätsopfer aufwartete:
Das schwarze Vorgehen ist objektiv mehr als zweifelhaft, aber am Brett bei tickender Uhr nicht unbedingt schlecht. Milo ließ sich zunächst nicht beeindrucken, machte dann aber einen Fehler, der der gegnerischen Strategie beinahe zum Erfolg verholfen hätte. Aber auch der Würzburger fand in zweischneidiger Stellung nicht die besten Züge und so übernahm der Windischeschenbacher schließlich wieder das Ruder. Bei aufkommender Zeitnot liessen beide Spieler beste Möglichkeiten aus, was sich auch nach der Zeitkontrolle fortsetzte bis es schließlich zum Showdown kam:
Doch zur Überraschung der anwesenden Kiebitze gab der Würzburger die Partie an dieser Stelle auf! Ein seltener Fall von Schachblindheit, aber kein unbekanntes Phänomen über das bereits ganze Bücher verfasst wurden (siehe hier und hier)! Ein am Ende glücklicher und mehr als kurioser Punkt für uns. (5½-2½)
Mit diesem wichtigen und unerwartet klaren Sieg konnten wir einmal mehr unseren Kampfgeist unter Beweis stellen und uns aus dem Tabellenkeller verabschieden. Das war auch bitter nötig, denn im ausklingenden Jahr stehen uns im November und Dezember mit Auswärtsspielen in Nürnberg und Erlangen zwei extrem harte Aufgaben bevor. Nur mit einer ähnlich guten Vorstellung wird es möglich sein diese ohne großen Schaden zu überstehen.
Das Liga-Orakel sieht uns wie üblich als heißen Abstiegsfavoriten an, aktuell als 2. Anwärter von bis zu maximal möglichen drei Absteigern. Das sind wir gewohnt und werden unser Möglichstes tun, um das Orakel auch in diesem Jahr Lügen zu strafen!