Zum Jahresanfang und Start der zweiten Saisonhälfte in der Landesliga Nord (LLN) empfingen wir am Sonntag vor zwei Wochen im Feuerwehrhaus den aktuellen und noch verlustpunktfreien Tabellenführer SC Erlangen 2. Was auf dem Papier wie eine klare Angelegenheit für die Gäste aussah, sollte sich mit zunehmender Spielzeit zu einem an Spannung kaum zu überbietenden Drama entwickeln. Da Jaroslav Illetsko aus gesundheitlichen Gründen weiterhin nicht zur Verfügung stand und Milo Müller nach bereits drei Einsätzen eine taktische Pause einlegte, sprang Altmeister Rudi Schön in die Bresche und wäre um ein Haar zum Matchwinner geworden.
An Brett 6 (W) verzichtete Jindrich Novak diesmal auf das Londoner System und wählte stattdessen das klassische Damengambit, das nach Zugumstellung im Meraner System mündete. Hier betraten beide Spieler nach weiteren zwei Zügen theoretisches Neuland und landeten nach mehrfachem Figurentausch in einem ausgeglichenen damenlosen Endspiel. Nach einer Ungenauigkeit im 19. Zug hatte Jindrich die besseren Aussichten, fand aber kein geeignetes Mittel, um seinen Vorteil auszubauen. Im 29. Zug ergab sich eine verblüffende Möglichkeit, die aber für das menschliche Auge schwer zu sehen war:
So plätscherte die Partie so dahin und als alles bereits auf ein Remis hindeutete, griff der Erlanger direkt nach der Zeitkontrolle schwer daneben und erlaubte Jindrich den Übergang in ein gewonnenes Bauernendspiel, das dieser jedoch leider nicht korrekt behandelte. Der prompte Gegenfehler verschenkte den Sieg und so endete die Partie mit einem friedlichen Remis. (½-½)
An Brett 5 (S) wählte Stephan Schmahl gegen die Damenbauerneröffnung seines Gegners die aggressive Benoni-Verteidigung, die schließlich in der Hauptvariante des Fianchetto-Systems landete. Mit einem frühen Springer-Manöver direkt ins Zentrum versuchte Stephan seinen leichten Raumnachteil durch Figurentausch zu kompensieren, was zu einer zufriedenstellenden Stellung führte. Nach einem Fehler im 17. Zug geriet er jedoch in Nachteil und war fortan nur noch mit Verteidigung beschäftigt. Das weiße Läuferpaar und ein Turm auf der 7. Reihe übten starken Druck auf die schwarze Stellung aus, der laut Computer bereits entscheidend war. Die komplexen Möglichkeiten erforderten jedoch viel Rechenarbeit, so dass beiden Spielern weniger als zehn Minuten für 20 Züge blieben. Schließlich war es der Erlanger, der im Handgemenge seine Chancen nicht optimal nutzte. Statt sein starkes Läuferpaar zu behalten und dem schwarzen Monarchen jegliche Fluchtmöglichkeit zu nehmen, holte er sich die geopferte Qualität zurück und stand plötzlich sogar trotz des verbliebenen Mehrbauern eher schlechter.
Stephan konnte sich in Windeseile vollständig befreien, verzichtete nach dieser Nervenschlacht jedoch darauf selbst auf Gewinn zu spielen und bot Remis an, das notgedrungen angenommen wurde. (1-1)
An Brett 3 (S) griff Christian Müller gegen die Spanische Eröffnung seines Gegners zur Steinitz-Variante. Beide Spieler zeigten sich gut vertraut mit der entstandenen Struktur und den verbundenen Plänen, so dass nach gut 20 Zügen eine ausgeglichene Stellung auf dem Brett stand. Schließlich war es Christian, der versuchte ein Ungleichgewicht herzustellen, indem er seine beiden Springer gegen Turm und Bauer gab. Die Stellung blieb indes in einem dynamischen Gleichgewicht, das bis kurz vor der Zeitkontrolle Bestand hatte. In laut Computer völlig ausgeglichener Stellung unterlief Christian ein Fehler, der dem Erlanger bei korrektem Spiel Angriffschancen gegen den schwarzen König und einen schönen Vorteil eingebracht hätte. Zu unserem Glück entschied er sich aber zu einem Dauerschach mit Remisschluss. (1½-1½)
An Brett 8 (W) eröffnete Rudi Schön gegen die Caro-Kann Verteidigung seines Gegners mit der berühmt-berüchtigten „Fantasy-Variante“, die nicht nur ein scharfes Spiel verspricht, sondern i.d.R. auch liefert. Jeder Fehltritt kann zu einem sofortigen Desaster führen, und diese Partie war keine Ausnahme. Nach ungenauer Eröffnungsbehandlung zeigt der Computer bereits nach neun Zügen entscheidenden Vorteil für Weiß an! Möglicherweise überrascht von der eigenen Courage begann Rudi zögerlich zu agieren und ließ seinen Gegner trotz Minusbauern in eine ausgeglichene Stellung entschlüpfen.
Mit zunehmender Spieldauer neigte sich die Waage mal zur einen, mal zu anderen Seite bis Rudi im 29. Zug ein verhängnisvoller Fehler unterlief. Mit einer „Petite Combinaison“ hätte sein Gegner die Partie sofort für sich entscheiden können, verpasste aber diese goldene Gelegenheit und konnte in der Folge nur noch um ein Remis kämpfen.
Das letztendlich entstandene Turmendspiel mit einem Mehrbauern für Weiß war klar besser aber trotzdem schwer zu gewinnen. Direkt nach der Zeitkontrolle forderte die Anspannung ihren Tribut, als der Erlanger, das Remis vor Augen, die Partie einzügig einstellte und kurze Zeit später aufgeben musste. (2½-1½)
An Brett 7 (S) verteidigte sich Miroslav Kalous gegen den Doppelschritt des d-Bauern seines Gegners wie üblich Damenindisch und erreichte in einer der Hauptvarianten nach dem ersten Figurentausch eine ausgeglichene Stellung. Der Erlanger zeigte sich anschließend wenig ehrgeizig und forcierte den Abtausch der weißfeldrig fianchettierten Läufer, was Mirek zurecht völlig kalt ließ. Doch im 15. Zug entschied sich der Windischeschenbacher zu einem ungünstigen Figurentausch auf e5, was Weiß durch die Festlegung des Bauern d7 einen leichten, aber dauerhaften Vorteil einbrachte. In der Folge suchte sein Gegner nach einem Weg, den Druck zu erhöhen, doch Mirek vereitelte alle Versuche in gewohnt stoischer Manier. Als ihm schließlich der Zentrumsvorstoß d7-d5 gelang, war endgültig die Luft raus aus der Partie. Langsam aber sicher wurden alle Figuren getauscht und man landete in einem komplett blockierten Bauernendspiel, das keinem der Kontrahenten eine Möglichkeit zu Gewinnversuchen gab. Die Remisvereinbarung war die logische Konsequenz. (3-2)
An Brett 4 (W) entschied sich Philipp Mark gegen das Angelehnte Damengambit seines Gegners zur harmlos anmutenden aber nicht zu unterschätzenden Abtausch-Variante. Nach einer langen Folge von bekannten Theoriezügen konnte Weiß in einer Karlsbad-Struktur das Läuferpaar auf der Habenseite verbuchen, doch die schwarze Stellung war äußerst solide und ohne Schwächen. Der Versuch von Philipp einen Minoritätsangriff am Damenflügel zu starten, wurde bereits im Keim erstickt und als ihm auf dem Wege dorthin auch noch das Läuferpaar abhanden kam, war die Stellung völlig ausgeglichen. Nach dem Tausch der letzten Leichtfigur wandte sich Philipp dem Zentrum zu und organisierte einen doppelten Bauernvorstoß, der zwar optisch gut aussah, die schwarze Festung aber ebenfalls nicht erschüttern konnte. Weiterer Abtausch führte letztendlich zu einem Turmendspiel, das bis zum Ende der Partie nie die Remisbreite verließ und zu einem leistungsgerechten Unentschieden führte. (3½-2½)
An Brett 2 (W) bekam es Tobias Brunner mit der Französischen Verteidigung zu tun und wählte die grundsolide Tarrasch-Variante. Bei offenem Zentrum suchten beide Spieler nach der besten Aufstellung für ihre Figuren, was aufgrund der zahlreichen Möglichkeiten keine leichte Aufgabe war. Der Erlanger ließ dabei die eine oder andere bessere Chance liegen, so dass man im 21. Zug in einer pittoresk anmutenden, aber völlig ausgeglichenen Stellung landete.
Das weitere Kampf war geprägt von gegenseitigen Nadelstichen ohne dass dabei eine der beiden Seiten einen nennenswerten Vorteil erreichen konnte. Bis zur Zeitkontrolle kristallisierte sich schließlich ein Turm und Springer Endspiel mit vier gegen drei Bauern auf einem Flügel für den Gastspieler heraus, das für Weiß haltbar war. Nachdem weitere Steine das Brett verließen, blieben nur noch ein Springer und drei gegen zwei Bauern übrig. Der Erlanger versuchte sein möglichstes, doch Tobias ließ sich nicht mehr beirren bis das unvermeidliche Remis besiegelt wurde. (4-3)
An Brett 1 (S) ersetzte FM Zdenek Haba sein sonst überwiegend gespieltes Sizilianisch diesmal durch die bekannt solide Caro-Kann Verteidigung. Sein Gegner griff zum am häufigsten gespielten Short-System der Vorstoß-Variante und machte damit von Anfang an klar, dass er auf Gewinn spielte. Als Zdenek im 6. Zug eine Ungenauigkeit unterlief, konnte der Erlanger schon früh einen Vorteil für sich verbuchen. Doch die Stellung sollte sich für beide Kontrahenten als extrem schwierig zu spielen erweisen und so begann eine Achterbahnfahrt der Gefühle und Computerbewertung. Als erstes verpasste Zdenek eine schöne Möglichkeit den Damenflügel zu seinen Gunsten zu öffnen:
Der Windischeschenbacher wählte einen anderen Weg und holte sich stattdessen auf e5 seinen fehlenden Bauern zurück, musste dafür aber die Einschnürung seines Damenflügels in Kauf nehmen. Wenige Züge später kam es zur ersten fatalen Entscheidung:
Doch auch dem Erlanger war die Anspannung anzumerken und so unterlief ihm im 31. Zug ein folgenschwerer Fehler:
Unmittelbar vor der Zeitkontrolle kam es zum nächsten heiklen aber zugleich sehr instruktiven Moment:
Nach einem Schlagabtausch bei dem Weiß bei gleichzeitigem Damentausch seinen Bauern c7 für d5 gab und dazu den a6 gewann, entstand schließlich ein für Weiß gewonnenes Turmendspiel. Doch gemäß eines Bonmot von Siegbert Tarrasch sind alle Turmendspiele Remis und so hätte es zu aller Überraschung auch in dieser Partie enden können:
Das Turmendspiel mit drei gegen zwei Bauern auf einem Flügel ist bei korrektem Spiel trotz des schwarzen Doppelbauern Remis, doch das war bei schwindender Zeit und verbrauchten Kraftreserven am Brett erst noch zu beweisen. Nachdem inzwischen alle anderen Partien beendet waren und klar war, dass es beim Stand von 4-3 für uns in der 6. Stunde dieser Partie um alles oder nichts ging, versammelten sich alle Mannschaftskameraden beider Teams um das Spitzenbrett, was die Sache für die zwei letzten Gladiatoren sicher nicht einfacher machte. Zdenek verteidigte sich korrekt und konnte nach dem Tausch eines seiner beiden f-Bauern eine theoretische Remisstellung erreichen. Doch auf den aller letzten Metern geriet er doch noch ins straucheln:
So wurde Zdenek zwar zum tragischen Held dieses Matches, doch bei diesem Kampfgeist auch des gesamten Teams gibt es nichts was wir uns vorwerfen müssten. (4-4)
Und hier noch einmal alle Paarungen und Ergebnisse im Überblick:
Nach diesem hart erkämpften, völlig überraschenden, aber durchaus nicht unverdienten Punktgewinn halten wir uns weiterhin im vorderen Mittelfeld und sehen den folgenden schweren Aufgaben in Bindlach und gegen Kareth-Lappersdorf wieder mit etwas mehr Optimismus entgegen.
Es folgt die aktuelle Tabelle, in der noch immer ein Ergebnis des wegen des Schneechaos Anfang Dezember 2023 ausgefallenen Kampfes PTSV SK Hof – SK Herzogenaurach fehlt:
In der 5. Runde am 4. Februar müssen wir zum Titelaspiranten und Aufstiegsfavoriten nach Bindlach reisen. Wie fast immer werden wir der klare Underdog sein und können deshalb völlig befreit aufspielen.
Wieviel der Punktgewinn gegen einen der Aufstiegsfavoriten wert war, zeigt uns das LigaOrakel, das uns mittlerweile nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 31,2 % als Absteiger sieht:
Eine Verbesserung von sage und schreibe 43 Prozentpunkten gegenüber der Vorrunde! Eine Aussicht die Mut macht, aber statt an Statistiken sollten wir uns lieber an uns selbst glauben!